Tag 8

Köttinger Dorfladen 23.7.2021

Wir hier in Erftstadt stehen zurzeit unter den kaum in Worte zu fassenden Eindrücken der schrecklichen Flutkatastrophe der letzten Woche. Seit gestern endlich können die meisten Bewohner von Blessem in ihre Häuser zurück und seit gestern Nachmittag dürfen nun endlich auch Helfer dazustoßen.

Nach der Flutwelle folgt jetzt eine Flut von Hilfe.

Die Eindrücke zu verarbeiten, wird sicher noch sehr lange dauern. Um die Schäden zu beseitigen, wird man in Jahren denken müssen. Über Kosten jetzt nachzudenken ist noch gar nicht möglich. Es gibt nichts, was nicht kaputt gegangen ist.

Unter dieser Last nicht zu verzweifeln, gelingt nur dank der Hilfe all der Menschen, die sich bei uns eingefunden haben und mit anpacken. Es sind vor allem viele junge Menschen, die auch eine Fröhlichkeit in die bedrückende Situation hineintragen. Dies ist mehr als tröstlich.

Eine gewisse Erleichterung war es auch, nach den langen zermürbenden Tagen des Wartens endlich etwas tun zu können. So merkwürdig sich das anfühlt, aber wir haben voller Elan bis zur Erschöpfung Tonnen von Möbeln aus den Häusern getragen, Unmengen von Schlamm herausgewuchtet, anschließend die Wände und Fußböden gespült, gewischt, Tapeten heruntergerissen, Schränke, Regale und sogar Saunen auseinandergenommen, bis die Keller vollkommen leer waren. In den meisten Häusern ist dieses Tabula rasa vermutlich abgeschlossen. Am Abend haben die zahlreichen Helfer verschlammt aber mit einem Lächeln auf den Lippen und Schaufeln auf den Schultern endlich Feierabend gemacht. Ich war nur eine von ihnen, und versuche, diese Eindrücke in mich aufzunehmen, um sie nie zu vergessen.

Gleichzeitig läuft eine weitere Welle von Spenden an. Ich drücke inständig die Daumen, dass es keine Verlierer nach dieser Katastrophe geben wird, zumindest keine in materieller Hinsicht. Wir sind ein wohlhabendes Land, jetzt aber eines, das viele Wunden davongetragen hat. Die Narben werden wohl lange bleiben.  Sie sollten uns daran erinnern, dass wir hier nur gemeinsam und solidarisch wieder herauskommen.

Und wir dürfen in dem Chaos dieser Tage nicht vergessen, dass es auch weitergehen muss. Zunächst müssen wir dafür Sorge tragen, dass derartiges nicht wieder geschehen darf. Dafür müssen wir die Ursachen klar und ungeschminkt benennen.  Wir müssen aber auch endlich wach werden und erkennen, dass unsere Verletzlichkeit identisch ist mit der Verletzlichkeit unseres Planeten.

Was wir brauchen, sind neue Visionen und ein anderes Narrativ. Und Enthusiasmus.

Das ist das, was wir im Augenblick in Erftstadt in unserer Katastrophe erstaunlicherweise auch erleben.

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